„Herumkörpern statt Hirnen.“
Dieser Satz hat sich mir direkt eingebrannt – und ehrlich gesagt beschreibt er ziemlich genau, warum mich das Buch „Alles wird gut, Oida!“ von Eva Karel so begeistert hat.
Ich habe es in einer Phase gelesen, in der mein Kopf randvoll war mit Gedanken, To-dos und Weltgeschehen und genau da hat mir dieses Buch auf wunderbar unaufdringliche und gleichzeitig kluge Weise gezeigt, wie wichtig es ist, wieder im eigenen Körper zu landen. Nicht im Sinne von Selbstoptimierung oder spirituellem High-Performance-Gedöns, sondern ganz bodenständig, lebensnah und mit einer herrlichen Portion Wiener Schmäh.
Eva Karel, ihres Zeichens Yogalehrerin, Schreibdozentin und Autorin, nimmt uns in „Alles wird gut, Oida! Nicht deppert werden in wilden Zeiten“ mit auf ihre persönliche Spurensuche durch die Turbulenzen unserer Zeit. Und dabei geht es nicht um das große „Reparieren“ des Lebens, sondern um kleine, kluge Strategien, mit denen wir uns immer wieder selbst erden können, auch mitten im Trubel.
Was mich besonders berührt hat
Was mir sofort gefallen hat: Dieses Buch ist kein erhobener Zeigefinger. Es will nicht missionieren, sondern inspirieren. Mit Humor, einer ordentlichen Portion Selbstironie und dem so typischen Wiener Grant (keine Sorge – für uns Nicht-Österreicher*innen gibt’s ein Glossar!) zeigt Eva Karel, wie sehr wir unter dem Druck unserer Leistungsgesellschaft ächzen und wie wir es schaffen können, nicht daran zu zerbrechen.
Besonders spannend fand ich ihren Bezug auf Viktor Frankls Konzept der „Trotzmacht des Geistes“. Anstatt sich von Angst, Krisen und Erschöpfung hypnotisieren zu lassen, plädiert sie für einen bewussten Perspektivwechsel: raus aus der Problemtrance, rein in die Handlung. Das ist nicht immer einfach, aber es ist möglich – und das macht Mut.
Embodiment statt Endlosschleife im Kopf
Ein zentrales Thema des Buches ist das sogenannte Embodiment – also der Weg aus dem Grübeln hinein ins Spüren. Und das bedeutet eben nicht, dass man plötzlich ein Achtsamkeitsguru werden muss.
Vielmehr geht es darum, wie schon einfache Dinge wie Bewegung, Atemübungen oder das bewusste Wahrnehmen unserer Umgebung uns wieder mit uns selbst verbinden können. Keine esoterische Überhöhung, sondern eine liebevolle Rückbesinnung auf das, was uns trägt.
Ich habe beim Lesen gemerkt, wie sehr ich mich selbst oft in Gedanken verliere, obwohl mein Körper längst nach einer Pause ruft. Dieses Buch hat mir geholfen, das wieder besser wahrzunehmen – und mir kleine Rituale zu schaffen, die mich raus aus dem Kopf und rein ins Leben holen.
Gesellschaftlicher Weitblick inklusive
Was ich ebenfalls sehr schätze: „Alles wird gut, Oida!“ macht nicht den Fehler, sich ausschließlich auf das Individuum zu fokussieren. Eva Karel macht klar, dass es nicht reicht, sich im eigenen Wohlfühlkokon zu verschanzen. Wer sich engagieren will – für Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, eine bessere Welt – muss bei sich selbst beginnen. Nicht als Flucht ins Private, sondern als Kraftquelle für kollektives Handeln.
Gerade in Zeiten wie diesen, wo eine Krise die nächste jagt, tut es gut, ein Buch zu lesen, das nicht in Schwarzmalerei versinkt, aber auch nicht alles schönredet. Stattdessen lädt es ein, die eigene Haltung zu überprüfen, Handlungsspielräume zu entdecken und neue Kraft zu schöpfen.
Mein Fazit:
Dieses Buch ist eine wohltuende Mischung aus kluger Lebenshilfe, persönlichem Erfahrungsbericht und liebevoller Ohrfeige an unseren ständigen Optimierungswahn. Es hat mir nicht nur den einen oder anderen Lacher entlockt, sondern auch viele Denkanstöße gegeben.
Wenn du das Gefühl hast, dass dein innerer Akku leer ist, du dich ständig überfordert fühlst oder einfach mal wieder eine Pause vom inneren Antreiber brauchst – lies „Alles wird gut, Oida!“. Du wirst dich verstanden fühlen, lachen, nicken und vielleicht sogar ein bisschen milder mit dir selbst werden.
Und keine Sorge: Selbst wenn du kein Wienerisch sprichst, wirst du dich wunderbar zurechtfinden. Das Glossar am Ende erklärt liebevoll jeden Austriazismus und macht das Buch noch charmanter.
Über die Autorin:
Eva Karel (Jahrgang 1982) lehrt Schreiben an der Universität Wien, schreibt Bücher, bildet Yogalehrende aus und ist der Ansicht, Humor sei eine Kernkompetenz, ebenso wie das Anfreunden mit den hatscherten Aspekten des Menschseins. Dieser Zugang kennzeichnet ihre Arbeit als Yogalehrerin ebenso wie ihren Umgang mit studentischen Schreibprojekten.
Wenn sie nicht gerade an der Uni Schreibwerkstätten hält oder sich Orakelsprüche einfallen lässt, mit denen sie Schaufenster pflastert, verfasst sie Bücher und Artikel (z.B. „Om, Oida! Yoga ohne Maskerade“, Blog: evakarel.at). Mit glühenden Ohren zieht sie zwei Kinder groß, führt den Hund spazieren, krault ihre beiden Katzen, hält Yogakurse und pinselt Menschen auf Leinwand. Ursprünglich stammt sie aus Waidhofen/Ybbs in der niederösterreichischen Pampa.